Vor seinem hübschen Hause, das mitten in der Heide stand, saß der Kunstmaler Deste. Auf seinen Knien saß sein einziges Töchterchen Rosemarie. Friedliche Abendstille lag über der ganzen Gegend. Die sinkende Sonne vergoldete mit ihren letzten Strahlen die Stämme der hohen Kiefern und ließ sie rotgolden aufleuchten.
"Oh, Vater, das ist aber schön! Die Sonne will nun schlafen gehen."
"So ist es, mein Liebling, bald wird sie verschwunden sein. Heute haben wir einen herrlichen Sonnenuntergang!"
"Weißt du noch, wie Tante Dirli gesungen hat von der Sonne, die sich müde gelaufen hat? Du - ich kann das Lied auch singen."
"Und ich kann auch ein schönes Lied von der goldenen Abendsonne."
Er begann zu singen: "Goldne Abendsonne, wie bist du so schön."
Rosemarie hielt dem Vater den Mund zu, lachte ihn an und sagte: "Das Lied kann ich auch singen, Vater, das habe ich schon von Tante Ella in Hamburg gelernt. Das singe ich allein."
Der Kunstmaler strich seinem fünfjährigen Töchterchen zärtlich über das blonde Haar. Da begann das Kind mit feiner Stimme:
"Goldne Abendsonne,
wie bist du so schön,
nie Kanone Honne
deinen Glanz ich sehn."
"Was singst du denn da?" lachte der Vater.
"Das schöne Lied von der goldenen Abendsonne."
"Dann singe es doch noch einmal."
Rosemaries Stimme wurde lauter. Eifrig sang sie:
"Goldne Abendsonne,
wie bist du so schön,
nie Kanone Honne
deinen Glanz ich sehn."
"Ja, was soll denn das heißen, Rosemarie?"
"Daß die goldene Abendsonne so schön ist."
"Und wie ist das mit der Kanone?"
"Vater, ich habe in Hamburg eine große Kanone gesehen. Tante Ella sagte, das wäre ein Ding zum Schießen."
"Aber du willst doch nicht auf die goldene Abendsonne schießen?"
"Nein, Vater ..."
"Ja, was soll denn dann die Kanone in dem Liede?"
Rosemarie zuckte mit den Schultern. "Das weiß ich auch nicht. Aber ich habe das Lied so gehört, und weil es schön ist, habe ich es gesungen."
"Da will ich dir einmal sagen, wie das Lied richtig heißt. Dann ist es nämlich noch viel schöner. Dann freut sich die goldene Abendsonne, wenn man es richtig singt."
"Ach, Vater, dann singe!"
Aufmerksam lauschte das Kind dem Gesange des Vaters:
"Goldne Abendsonne,
wie bist du so schön,
nie kann ohne Wonne
deinen Glanz ich sehn."
Rosemarie richtete die blauen Augen nachdenklich zum Himmel hinauf. "Nie kann ohne - ohne - Vater, wie war das?"
"Nie kann ohne Wonne deinen Glanz ich sehn. - Das heißt, daß ich mich immer sehr freue, wenn ich den Glanz der Abendsonne sehe. Wonne ist nämlich noch viel ...
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Título : Rosemarie und ihre Mutti
EAN : 9783753435312
Editorial : Books on Demand
Edad, de : 12 años
Fecha de publicación
: 22/3/22
Formato : ePub
Tamaño del archivo : 853.25 kb
Protección : Aucune
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