Licht, das in das weite Gemach eindrang - ein Gemach von solcher Höhe, daß die geschnitzte Decke sich genauer Betrachtung entzog - wanderte mit der sinnenden, kühlen Neugier der Morgendämmerung über ein phantastisches Museum der Zeit. Das Licht, unbefangen von dem Vorurteil des menschlichen Auges, enthüllte seltsame Widersinnigkeiten, als beleuchte es den leidenschaftslosen Gang der Geschichte.
Denn in diesem Speisesaal, einem der schönsten in England, hatten die Caradocs jahrhundertelang die Trophäen und Dokumente ihrer Existenz gesammelt. Rund um diesen Speisesaal hatten sie gebaut, niedergerissen und wiederaufgebaut, bis die übrigen Gebäude von Monkland Court ein ziemlich einheitliches Bild boten. Hier allein hatten sie das Werk der alten, beinahe möchte man sagen, mönchischen Baumeister unberührt gelassen, und in dieser Halle hatten sie unbewußt ihre Seelen eingeschlossen. Denn hier befanden sich, nunmehr dem Lichte ausgesetzt, all jene fast rührenden Zeugnisse menschlichen Sehnens, für immer fortzuleben, jene Hüllen ihrer verblichenen Körper, die Fetische und sonderbaren Wahrzeichen ihres Glaubens, und überall die Spuren ihrer Behandlung durch die mitleidslosen Hände der Zeit.
Der Chronist hätte hier alle notwendigen Bestätigungen finden, der Forscher aus diesem Material die adelige Herkunft genau beweisen, der Philosoph der Entwicklung der Aristokratie nachspüren können von den Uranfängen ihrer Übermacht durch rohe Gewalt oder Schlauheit, Jahrhunderte ihrer Herrschaft hindurch, zu malerischem Verfall und bis zum Beginn ihres Widerstandes. Sogar der Künstler hätte hier vielleicht ihren trockenen, unergründlichen, alles durchdringenden Geist zu empfinden vermocht, so wie man ihn etwa beim Besuch einer alten Kathedrale in seiner Verknöcherung herausfühlen kann.
Von dem sagenumsponnenen Schwert jenes walisischen Häuptlings, dem eine Tat des Hochverrats die Gunst und eine Belohnung Wilhelms des Eroberers eingebracht und der mit der Witwe eines Normannen viele Ländereien in Devonshire erhalten hatte, bis zu dem Pokal, den die Pächter in Devonshire für ihren Gutsherrn Geoffrey Caradoc, den gegenwärtigen Earl of Valleys, anläßlich seiner Eheschließung mit Lady Gertrude Semmering durch Sammlung erstanden, fehlten keinerlei Insignien, mit Ausnahme der Familienportraits in der Galerie von Valleys House in London. Es war sogar ein altes Duplikat jener vergilbten und zerfetzten Schriftrolle vorhanden, laut welcher von königlicher Seite Titel und Ländereien ...
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Título : Der Patrizier
EAN : 9783756210022
Editorial : Books on Demand
Fecha de publicación
: 27/6/22
Formato : ePub
Tamaño del archivo : 1.69 mb
Protección : Aucune
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