Es war ein Tag, an dem die Herzen höher schlugen. Der Juli ließ alle seine Flaggen wehen; Sonne und Mohnblumen leuchteten; weiße Schmetterlinge zogen Kreise und Spiralen, und die Bienen schwärmten emsig um das Löwenmaul. Die Linden begannen gerade zu blühen. Schon wuchsen hohe weiße Lilien auf den Gartenbeeten um die Wette mit dem Rittersporn, die Blätter der vollerblühten York- und Lancaster-Rosen breiteten sich rund um ihre goldenen Herzen aus. Ein sanfter Wind wehte, und über dem Haupt Edward Piersons, der von seiner einsamen Wanderung zur Tintern-Abtei zurückkehrte, war ein ständiges Raunen, Schwirren und Sausen, das anschwoll und wieder verklang. Er war erst an jenem Morgen in Kestrel, dem Heim seines Bruders Robert am Ufer des Wye, angekommen, da er sich unterwegs in Bath aufgehalten hatte; und nun war sein Gesicht ungleichmäßig abgebrannt wie bei Leuten, die zu lang in London gewesen sind. Als er die schmale, von Laubwerk fast überwölbte Allee entlangschritt, drangen die Töne eines Walzers - auf dem Klavier geklimpert - an sein Ohr, und er lächelte, denn Musik war seine größte Leidenschaft. Sein dunkles, leicht ergrautes Haar war von der heißen Stirn zurückgestrichen, und er fächelte sich mit seinem Strohhut. Die Stirn, die gar nicht breit war, schien doch der breiteste Teil im schmalen Oval des Gesichtes, dessen Länge noch durch einen kurzen dunklen Spitzbart betont wurde; ein Gesicht, das van Dyck hätte malen können, gütig und ernst, bis auf die leuchtenden grauen Augen, die von kleinen Fältchen umgeben waren, mit ihren aschblonden Wimpern und dem seltsamen Blick, der nicht zu sehen schien, was vor ihm war. Trotz Hitze und Müdigkeit schritt er rasch dahin; er war von hoher, aufrechter und schmächtiger Gestalt, trug das graue Gewand des Geistlichen, und auf seiner schwarzen Kaschmirweste baumelte ein kleines goldenes Kreuz.
Oberhalb und etwas abseits von seines Bruders Haus, dessen Garten bis zur Bahnlinie und zum Fluß hinunterreichte, hatte man einen großen Pavillon gebaut. Wo die Allee sich gabelte, blieb Pierson stehen und freute sich an dem Klang des Walzers und an dem kühlen Abendwind, der durch die Birken und Sykomoren strich. Ein Mann von fünfzig Jahren, der auf dem Lande geboren und aufgewachsen ist und Schönheit zu würdigen weiß, leidet schwer unter Heimweh, wenn er lange und ohne Unterbrechung in London wohnen muß; und so waren es fast heilige Stunden für ihn gewesen, die er an diesem Nachmittag in der alten Abtei zugebracht. Er hatte ...
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Título : Ein Heiliger
EAN : 9783756215980
Editorial : Books on Demand
Fecha de publicación
: 30/5/22
Formato : ePub
Tamaño del archivo : 1.77 mb
Protección : Aucune
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