Felix Winter
Auch zwei Jahrzehnte nach Kriegsende gab es zum gewaltsamen Ende der jüdischen Bewohner seiner Heimatstadt Herrnweiler noch nicht mehr als die Formel ausgesiedelt/verschollen. Und das obwohl Herrnweiler lange als ein exemplarischer Schauplatz für die friedliche Koexistenz von Christen und Juden gerühmt worden war.
Felix Winters Studium der Geschichte wurde begleitet von der Jugendrevolte der 60er Jahre, die die bis dato verschwiegene Kriegs- und NS-Vergangenheit der Väter ins Zentrum des Protests rückte. Und so stellte er sich erstmals die Frage: wer hat das Recht Geschichte zu erzählen? Die zahlreichen Mitglieder der Nazi-Bewegung wohl nicht. Über Jahrzehnte hinweg sprach Felix Winter deshalb mit Zeitzeugen, die nur Beobachter waren, weder Täter noch Opfer, aber doch mit dem Schuldgefühl weiterleben mussten, die Katastrophe nicht verhindert zu haben. Und schließlich entdeckte er auch Zeugnisse der Opfer der Nazi-Jahre, die erst mit großem zeitlichen Abstand in der Lage gewesen waren, von der Katastrophe und über sie zu sprechen.
Unter den 10 Erzählungen der vorliegenden Sammlung stammen 3 von jüdischen Überlebenden des Nazi-Völkermords, weitere 4 von, wenn auch kritischen, Mitgliedern und Beobachtern der von den Nazis definierten Volksgemeinschaft. Wo Auge und Erinnerung der Zeitzeugen nicht hinreichten, musste Felix Winter sich letztlich doch selbst auf den Weg machen, um an den Tat- oder Gerichtsorten das wahre Ausmaß dessen zu finden, was sich hinter der offiziellen Sprachregelung Völkermord oder Genozid versteckte.
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